Edelstahl – Werkstoff- und Anwendungskunde
VA, Nirosta, Edelstahl, ….. eine Vielzahl von Begriffen sind im Umlauf. Höchste Zeit, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen …… und mit einigen der am weitesten verbreiteten Falschinformationen aufzuräumen. So werden wir z.B. gleich erfahren, dass auch Edelstahl rosten kann und in manchen Fällen sogar magnetisch ist.
Was ist Edelstahl?
Legierte oder unlegierte Stähle, die einen besonders hohen Reinheitsgrad besitzen, werden als Edelstähle bezeichnet. Das bedeutet also nicht, dass ein Edelstahl auch zwangsläufig ein rostfreier Stahl sein muss. Zu diesem wird er erst, wenn die richtigen Legierungsbestandteile in den richtigen Mengen zusammen erschmolzen werden.
Dennoch werden im Alltag häufig nur rostfreie Stähle als Edelstähle bezeichnet – seit eben wissen wir das besser …
Rostfreier Stahl
Entwickelt wurde er Anfang des vorigen Jahrhunderts praktisch zeitgleich in den beiden führenden stahlproduzierenden Nationen England und Deutschland. Zur Erreichung der Beständigkeit gegen Korrosion enthält die Legierung einen Anteil Chrom von wenigstens 12% bei einem Kohlenstoffanteil von höchstens 1,2%.
Der Kniff beim „Rostfreimachen“ ist, dass der hohe Chromanteil zur Bildung einer sogenannten Passivschicht an der Oberfläche führt, welche den darunter liegenden Grundwerkstoff dauerhaft gegen korrodierende Angriffe schützt.
Je höher dieser Chromanteil ist, desto wirksamer ist diese Barriere und desto rostbeständiger ist der Grundwerkstoff. Ist die Passivschicht in Teilen beschädigt, kommt es an diesen Stellen zu Rostbildung auf eigentlich nicht rostendem Material.
So lange die Legierung kein Nickel enthält spricht man von ferritischen Stählen. Ihr Chromgehalt liegt zwischen
12 bis 18%, der Kohlenstoffanteil bei weniger als 0,2 % und ist damit besonders gering. Daher kann man diesen Edelstahl nicht härten und er ist leicht verformbar und magnetisch.
Der Name Ferrit leitet sich von dem lateinischen Begriff „Ferrum“ ab (= Eisen).
Wird als zusätzlicher Legierungsbestandteil Nickel und evtl. Molybdän oder Titan hinzugefügt, so erhält man austenitische Stähle. Austenite sind die wichtigste und wohl bekannteste Edelstahlsorte. Landläufig spricht man
von Chrom-Nickel-Stählen. Diese sind nicht mehr magnetisch aber gegen höhere Belastungen beständig als es die Ferrite sind. Austenitische Stähle kann man nicht härten, sie sind daher eher „weich“.
Namensgeber für diese Stähle ist der britische Metallurge William Chandler Roberts-Austen, der Methoden zur Bestimmung von Legierungselementen entwickelte.
Von martensitischen Edelstählen spricht man, wenn die oben beschriebenen ferritischen Stähle neben Chrom auch Vanadium und Molybdän enthalten. Diese Stähle, eigentlich handelt es sich dabei um „aufgerüstete“ Ferrite, sind magnetisch und können gehärtet (vergütet) werden (z.B. Messer-, und Werkzeugstähle wie Gabel- und Ringschlüsselsätze aus Chrom-Vanadium). Ihren Namen verdanken diese Martensite ihrem Entdecker Adolf Martens.
Wer bei der nächsten Küchenparty mit Expertenwissen glänzen will … der am häufigsten für Küchenmesser eingesetzte Messerwerkstoff ist ein Martensit und heisst X50CrMoV15 😉
Häufig verwendete Begriffe und Abkürzungen für Edelstähle sind:
Cromargan: der Markenname des Besteckherstellers WMF; ein rostfreier, austenitischer Edelstahl
Inox: vom französischen inoxydable = rostfreier Stahl
Nirosta: Markenname, Abkürzung für “Nicht rostender Stahl“
RSH-Stahl: Rost-, Säure und Hitzebeständig
stainless steel: Englisch für rostfreien Stahl
V2A: ein hoch legierter austenitischer Stahl; die Abkürzung ist das Akronym von “Versuchsschmelze 2 Austenit“
Fazit
– Edelstähle sind Stähle mit besonderem Reinheitsgrad.
– Wir unterscheiden zwischen legierten und unlegierten Edelstählen.
– Die Gleichungen Edelstahl = rostfrei und Edelstahl = unmagnetisch gehen nicht immer auf.
Einsatzbereiche von Edelstählen im Baubereich – Vorsicht Theorie
Nicht jeder Edelstahl ist für jeden Anwendungsbereich gleich gut geeignet. Nichtrostende Stähle reagieren sehr unterschiedlich auf Umwelteinflüsse. Chloride und Schwefeldioxid, haben Einfluss auf die Beständigkeit und das optische Erscheinungsbild der nichtrostenden Stähle. Die Auswahl des richtigen Werkstoffes hängt daher vom
Einsatzzweck und von den dort herrschenden Umgebungsbedingungen ab.
Je nach Anwendungsbereich unterscheiden wir zwischen:
Im Wohnbereich (Innenbereich) sind in der Regel keine Schadstoffe vorhanden, welche zu einer Korrosionsbelastung des Edelstahls führen können. Hier können Werkstoffe der Korrosionswiderstandsklasse I
zur Anwendung kommen. (z.B. Werkstoff X2CrNi12 = 1.4003 oder X6Cr17 = 1.4016).
Die Materialkombination Edelstahl – Holz sollte in der Korrosionswiderstandklasse I vermieden werden, da Holz einen pH-Wert kleiner 5 (= leicht sauer) haben kann und daher eine Korrosion nicht auszuschliessen ist.
In Bereichen, wo mit einem Feuchtigkeitsgehalt größer 90% zu rechnen ist, sind Werkstoffe der Korrosionswiderstandsklasse II einzusetzen (z.B. Werkstoff X5CrNi18-10 = 1.4301 oder X2CrNi18-19 = 1.4307)
Die Materialkombination Edelstahl – Holz ist in der Korrosionswiderstandsklasse II kein Problem.
Im Aussenbereich in ländlicher Gegend wird von einer geringen Schadstoffbelastung ausgegangen, so dass hier nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse II eingesetzt werden können (z.B. Werkstoff X5CrNi18-10 = 1.4301 oder X2CrNi18-19 = 1.4307).
Folgende Punkte sollten bei der Werkstoffauswahl jedoch berücksichtigt werden. Die Chloridbelastung sollte in der Umgebung gering sein bzw. maximal im mittleren Bereich liegen. Der Abstand zum Meer sollte mindestens 10 km, der Abstand zu größeren Städten mindestens 5 km betragen.
Wichtig: Chloride werden immer noch in großen Mengen als Auftausalze im Straßenverkehr verwendet und diese
werden im Anschluss durch den Menschen im Bodenbereich weiter verteilt.
Eine weitere Belastung kann durch Schwefeldioxid (SO2) entstehen, welches vor allem bei der Verbrennung von schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen wie Kohle und Erdölprodukten entsteht. Eine Belastung von 10 µg/m3
sollte auf keinen Fall überschritten werden.
Bei den nichtrostenden Stählen der Korrosionswiderstandsklasse II ist davon auszugehen, dass bei der Oberfläche, welche der Bewitterung ausgesetzt ist, keine Veränderungen zu erwarten sind. Auf der abgewandten Seite können leichte Oberflächenverfärbungen nicht immer ausgeschlossen werden. Sehr fein geschliffene Oberflächen (z.B. Korn 600 geschliffen) sind korrosionsbeständiger als rau geschliffene Oberflächen (z.B. Korn 240 geschliffen).
Ein regelmäßiges Reinigen der Oberfläche trägt dazu bei, einen guten dekorativen Zustand zu erhalten.
Im Aussenbereich in der Stadt wird von einer mittleren Schadstoffbelastung ausgegangen, hier sollten nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse II oder III zum Einsatz kommen.
Entscheidend ist der Schwefeldioxidgehalt (SO2) in der Luft. Liegt eine geringe Belastung (kleiner 10 µg/m3) vor, sind nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse II noch ausreichend (z.B. Werkstoff X5CrNi18-10 = 1.4301 oder X2CrNi18-19 = 1.4307).
Die Chloridbelastung sollte in der Umgebung gering, maximal jedoch im mittleren Bereich liegen. Der Abstand zum Meer sollte mindestens 10 km betragen.
Wichtig: Chloride werden immer noch in großen Mengen als Auftausalze im Straßenverkehr verwendet und diese
werden im Anschluss durch den Menschen im Bodenbereich weiter verteilt.
Bei einer zu hohen Schadstoffbelastung können sich die Oberflächen leicht verfärben, ein regelmäßiges Reinigen der Oberflächen mindert das Risiko von Verfärbungen. Glatte und sehr fein geschliffene Oberflächen (z.B. Korn 600 geschliffen) sind korrosionsbeständiger als raue Oberflächen (z.B. Korn 240 geschliffen).
Bei einem Schwefeldioxidgehalt (SO2) ab 10 µg/m3 bis 90 µg/m3 bzw. einer hohen Chloridbelastung sind nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse III erforderlich (z.B. Werkstoff X2CrNiMo17-12-2 = 1.4404 oder X6CrNiMoTi17-12-2 = 1.4571).
Ein regelmäßiges Reinigen dieser Werkstoffe ist aus Gründen des Korrosionsschutzes nicht erforderlich, bei dekorativen Bauteilen wird dies jedoch empfohlen.
Empfehlung: Bauteile, die nach der Montage nicht mehr zugänglich sind, sollten grundsätzlich in der
Korrosionswiderstandsklasse III ausgeführt werden.
Im Aussenbereich in Industriegebieten wird von einer hohen Schadstoffbelastung ausgegangen (Schwefeldioxidgehalt (SO2) bis maximal 90 µg/m3, Chloridbelastung hoch); bei einer Entfernung zum Meer bis
ca. 2 km. In diesen Regionen sind nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse III erforderlich (z.B. Werkstoff X2CrNiMo17-12-2 = 1.4404 oder X6CrNiMoTi17-12-2 = 1.4571).
Die meisten nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse III verhalten sich in industrieller Atmosphäre gut und zeigen nur sehr leichte Verfärbungen, welche jedoch durch regelmäßiges Reinigen vermieden werden können.
Eine Schwefeldioxidbelastung (SO2) von über 90 µg/m3 erfordert nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse V (z.B. Werkstoff X1NiCrMoCuN25-20-7 = 1.4529).
Im Aussenbereich in Küstenregionen ist die richtige Werkstoffauswahl eines der wichtigsten Kriterien. Der hohe Chloridgehalt in der Luft stellt dabei eine besonders starke Korrosionsbelastung dar. Salzreiche Aerosole sind ausgesprochen aggressiv, besonders wenn auf der Oberfläche durch Verdampfen hohe Salzkonzentrationen entstehen. Die richtige Werkstoffauswahl hängt im Einzelfall von der Entfernung zum Meer ab, aber auch von den örtlichen Gegebenheiten, welche den Weitertransport der chloridhaltigen Aerosole bestimmen.
Ein Einsatz nichtrostender Stähle der Korrosionswiderstandsklasse II sollte auf jeden Fall vermieden werden, da eine Spalt- und Lochkorrosion nicht ausgeschlossen werden kann.
Bei einer Entfernung größer 5 km zum Meer, können nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse III zum Einsatz kommen (z.B. Werkstoff X2CrNiMo17-12-2 = 1.4404 oder X6CrNiMoTi17-12-2 = 1.4571)
In unmittelbarer Küstennähe wird von einer sehr hohen Belastung ausgegangen; hier sind nichtrostende Stähle der Korrosionswiderstandsklasse IV erforderlich (z.B. Werkstoff X2CrNiMoN17-13-5 = 1.4439 oder X1NiCrMoCu25-20-5).
Im Schwimmbadbereich ist die Werkstoffauswahl vom jeweiligen Einsatzort abhängig. Werkstoffe der Korrosionswiderstandklasse II (z.B. Werkstoff X5CrNi18-10 = 1.4301 oder X2CrNi18-19 = 1.4307) sollten hier nur zum Einsatz kommen, wenn der Chlorgehalt im Wasser unter 200 mg/l liegt. Auf Bauteilen, welche nicht ständig umspült werden (Überlaufrinnen, Teilbereiche von Treppen) kann das Antrocknen von Schwimmbadwasser zu Ablagerungen und zu einer Anreicherung von Chloriden führen. Bei einer unzureichenden Reinigung führt dies zu ersten braunen Flecken, dem Beginn der Korrosion. Bauteile mit Fugen und Stößen sind in diesen Bereichen besonders gefährdet.
Bei einem privaten Schwimmbad ist von einem Chlorgehalt von 500 mg/l bis 1000 mg/l auszugehen, in diesem Bereich wird empfohlen molybdänlegierte Werkstoffe der Korrosionswiderstandsklasse III einzusetzen (z.B. Werkstoff X2CrNiMo17-12-2 = 1.4404 oder X6CrNiMoTi17-12-2 = 1.4571).
In geschlossenen Schwimm- und Solebädern ist von bedeutend höheren Chloridgehalten auszugehen; Wassertemperaturen von i.d.R. über 30° verstärken zusätzlich die chemische Aggressivität. Unter Berücksichtigung
des Einsatzortes sind die nachfolgenden Werkstoffe der Korrosionswiderstandsklasse IV zu empfehlen (z.B. X2CrNiMoN22-5-3 = 1.4462, X2NiCrMoCu25-20-5 = 1.4539).
Ist eine regelmäßige Reinigung der Edelstahloberflächen in einem geschlossenen Schwimmbad nicht möglich bzw. gewährleistet, empfehlen sich Werkstoffe der Korrosionswiderstandsklasse V (z.B. X2NiCrMoCuN25-20-6 = 1.4529). Aufgrund des hohen Gehaltes an Legierungselementen hat dieser Werkstoff eine deutlich höhere Korrosionsbeständigkeit als Chrom-Nickel-Molybdän-Werkstoffe.
(Alle o.g. Infos ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Gewähr).